In eigener Sache

To whom it may concern…

Der „Hundemarkt“ boomt: Online-Erziehungskurse, Videos, Bücher, Hundeschulen und Hundesportvereine, Hundetrainer, Hundepsychologen und selbsternannte Hundegurus – sie alle haben Ideen und Ratschläge für den Umgang mit dem Hund, die sich oftmals auch noch völlig widersprechen.

So ist für den einen speechless – Training über Körpersprache die alleinige ultimative Erziehungsmethode bei der die Bestätigung über Leckerchen ein absolutes „No go“ darstellt, ein anderer schwört auf den Futterbeutel gepaart mit Lobwörtern in einer so urintreibenden Tonlage, dass dem ungeübten Zuhörer die Tränen in die Augen steigen. Einer mimt heulend den Leitwolf und leckt sich dabei ständig beschwichtigend über die Lippen, andere dekorieren für mehr Entspannung die Wohnung nach der Lehre der Farbtherapie um oder arbeiten ausschließlich mit Edelsteinen. Wieder andere schwören auf den Clicker und wollen alles rigide durchkonditionieren oder propagieren, wie wichtig die Ernährung bei der Erziehung von Hunden ist, frei nach dem Motto: mit Rentierfleisch jagt er weniger…!

Wenn einiges auch definitiv schlimme Auswirkungen hat oder tierschutzrelevant ist, so will ich andere Dinge, so absurd sie auch erscheinen mögen, nicht verurteilen. Vielleicht hat auch eine völlig abwegige Methode schon einmal einem Hundebesitzer geholfen. So ändert alleine der Glaube an eine Verbesserung unsere Haltung und unsere Ausstrahlung. Und das kann schon helfen.

Viele Ansätze im Bereich der Hundeerziehung helfen Hunden und ihren Besitzern allerdings wenig oder gar nicht. Das liegt darin begründet, dass es „DIE“ eine Methode, die immer zum Erfolg führt, gar nicht geben kann. Hunde sind bei allen Gemeinsamkeiten völlig unterschiedliche Persönlichkeiten. Menschen auch. Und ein bestimmtes Mensch – Hund – Team hat nochmal seine ganz eigene Dynamik. Also müssen auch Erziehungs- und Trainingstipps ganz individuell dem Ziel, der Mensch – Hund – Beziehung und dem Wesen des Hundes sowie seinem Halter gerecht werden. Das bedeutet aber auch, dass es keinen Sinn macht, die Diskussion über bestimmte Trainingskonzepte zum fundamentalistischen Glaubenskrieg ausarten zu lassen. Paradox finde ich an dieser Stelle, dass gerade die dogmatischen „Wir machen alles über positive Bestärkung – Leckerchen – um sich - Schmeißer“, die meinen das einzige, was man zur Hundeerziehung braucht sei ein liebevoller, geduldiger Umgang, dass gerade solche Hundehalter und Trainer oft völlig intolerant, unfair, aggressiv und respektlos dem Diskussionspartner gegenüber werden, wenn man im entscheidenden Moment richtigerweise von ihrer sanften Strategie abweicht.

Wir brauchen also eine flexible Strategie, um mit Hunden harmonisch zusammenleben zu können. Und die haben wir, würden wir uns auf unser Handeln, unsere Ausstrahlung und unsere Haltung besinnen. „Mehr Persönlichkeit und weniger Kekse“ ist ein sehr gutes Konzept. Hunde haben Fragen und sie brauchen Antworten. Sie brauchen Vertrauen in die Führung durch den Menschen. Wen das Wort Führung zu sehr an Adolf erinnert, der ersetzt es meinetwegen durch Leitung oder wenn man ganz cool sein will durch das Wort „Leadership“.

Hunde brauchen ebenfalls eine klare Kommunikation. Viele eindeutige Bestätigungen im Sinne von: Das ist gut so! und in den entscheidenden Momenten auch einige wenige klare Verbote, die die Information: Das lässt du bleiben! enthalten. Haben wir das als Hundehalter gut umgesetzt? Nun, durch das Maß an Kooperationsbereitschaft zeigt uns der Hund später deutlich, ob unsere Kommunikation und die Wahl der Trainingsmethode wirksam waren. Hunde können nicht verstehen, warum sich Menschen über unterschiedliche Erziehungsstile in die Haare bekommen. Er handelt einfach und nimmt sich dabei das Recht heraus, darüber zu entscheiden, ob unser Lob oder unser Verbot für ihn eine Bedeutung hat oder nicht. Deshalb entscheidet er auch, ob er sich so verhält, wie wir uns das wünschen oder nicht.

Damit Kommunikation gelingt, bedarf es unter anderem einer eindeutigen Körpersprache. Dies betrifft Mensch und Hund. Das heißt aber auch, dass der Hund ein breites Spektrum an Emotionen und Stimmungen zeigen darf. Ja, Sie haben richtig gelesen: ein Hund, der ein Nein abbekommen hat, darf auch mal zeigen, dass er frustriert oder kurzfristig ein wenig gestresst ist. Ein Hund kann sich nicht immer nur freudig verhalten. Was für ein Irrsinn, zu glauben, der Hund, dem gerade verboten wurde, einen Hasen zu jagen, kommt freudig zurück zu seinem Menschen! (Sie sind nicht spannender als Kamerad Langohr, da können Sie sich als Hundehalter auf den Kopf stellen!) Aber mal ehrlich: auch wir Menschen sind doch nicht immer glücklich und zufrieden. Während einer stressigen Phase des (Arbeits-)Tages, sind wir auch mal geschafft und genervt und auf einer Beerdigung zeigen wir auch einen anderen Gesichtsausdruck als auf der Mottoparty des besten Freundes. Das ist normal, authentisch und erleichtert die Kommunikation.

Darüber hinaus sollten Hunde weniger bestochen werden, sondern in ihrem Menschen eine Orientierungshilfe sehen. Wichtig ist dabei auch, ihre Bedürfnisse zu kennen und zu erfüllen. Und damit sind nicht nur die Bedürfnisse wie Fressen, Laufen, Schlafen gemeint. Dem Bedürfnis nach Sicherheit, nach Aufmerksamkeit und der Anforderung an den Menschen an Empathie und Präsenz sollten wir ebenfalls auf jeden Fall nachkommen.

Viel wichtiger als der Futterbeutel ist also die Qualität unseres Auftretens und eben das Erfüllen der hundlichen Bedürfnisse. Manchmal ist das anstrengend. Deshalb geht Hundeerziehung auch nicht nebenbei und braucht Zeit. Auch bei unseren zweibeinigen Artgenossen haben wir nach einer einmaligen Aufforderung, doch bitte ihren Schulranzen nicht mitten im Weg stehen zu lassen und die Jacke auf den Haken zu hängen sicherlich noch keinen nachhaltigen Erfolg. So ist das Leben! Konflikte gehören nun mal dazu wie das Salz zu der Suppe. Konflikte sind auch nicht nur negativ. Sie machen Entwicklung und positive Veränderung möglich. Nur in Harmonie zu leben ist Stillstand – und genauso wie Dauerstress schlecht für’s Immunsystem.

Puh, jetzt habe ich mir doch viel mehr von der Seele geschrieben, als ich eigentlich vorhatte. Aber es ist wichtig, diese Dinge einmal anzusprechen. Denn nur, wenn wir bereit sind, an unserer Persönlichkeit, unserer Haltung und unserem Handeln zu arbeiten, wird ein harmonisches Miteinander unter Menschen und mit ihren Hunden möglich sein. Oder wie es der amerikanische Humorist Corey Ford einmal sagte:

„Wenn man Menschen gut erzieht, kann er der beste Freund des Hundes werden.“